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zu beobachten und sich nicht der Gefahr auszusetzen, bei dieser Gelegenheit vielleicht auch noch den Freund, der sich nur zu leicht von seiner Gattin beeinflussen ließ, zu verlieren?

Minutenlang erwog Dreßler diese Möglichkeiten, all diese Für und Wider, ohne mit sich ins reine zu kommen. Und als Wieland und Maria jetzt das Zimmer wieder betraten, war er noch immer unschlüssig. Was ihn dann erst zu einem festen Entschluß kommen ließ, war das mehr als sonderbare Verhalten der Frau seines besten Freundes, denn Maria, die sich kurz vorher mit einem beinahe haßerfüllten Blick jede weitere Einmischung von seiner Seite verbeten hatte, sagte jetzt mit einer Stimme, die so bittend und weich klang:

„Verzeihen Sie mir, lieber Freund, daß ich vorhin etwas erregt war. Entschuldigen Sie meine Heftigkeit mit meiner nervösen Überreiztheit, bitte, bitte!“ Sie streckte ihm dabei ihre schmale, weiße Hand hin. Aber er durchschaute die Komödie, und ein Blick traf sie, der ihr seine Meinung deutlicher sagte als eine lange Aussprache. Trotzdem war er klug genug, einige höfliche Redensarten zu machen, die zu nichts verpflichteten. Gleich darauf verabschiedete er sich dann unter dem Vorgeben, er wolle ungesäumt die Aufklärung der rätselhaften Angelegenheit in die Hand nehmen. Man möge vorerst jedoch nicht fragen, was er vorhabe. Er würde schon, wenn es Zeit dazu wäre, sprechen. Und als ihn Dreßler an der Flurtür beim Abschied hastig daran erinnerte, daß er doch Maria noch, wie verabredet, habe auf die Probe stellen wollen, erwiderte er nur zweideutig:

„Das hat sich von selbst erledigt, Karl. Ich bin nach reiflichem Nachdenken zu einem anderen Resultat gekommen. Warte ab. Vielleicht kann ich Dir schon morgen Genaueres sagen. Auf Wiedersehen also!“ –

Als Dreßler das Wielandschen Haus verlassen hatte, blieb er wie absichtslos vor der Haustür stehen, zog sein silbernes Zigarettenetui hervor und zündete

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)