Seite:Das Geheimnis eines Lebens.pdf/81

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

verschwinden ließe. Fällt es dem Gericht in die Hände, so können daraus vielleicht für Wielands allerlei Unannehmlichkeiten entstehen.“

Schnell nahm er die Papiere aus dem Umschlag und überflog den ersten der engbeschriebenen Bogen.

„Meine Vermutung stimmt. Hier halte ich endlich die Lösung all der Rätsel in der Hand, fraglos die Wahrheit über die Geheimnisse, die Durgassows Person umgaben,“ murmelte er nachdenklich vor sich hin. „Was tue ich in diesem Falle nur?“

Da hörte er Schritte und Stimmen auf dem Korridor, und geschwind schob er das Kuvert in die Brusttasche seines Jacketts.

In eines der leerstehenden Fremdenzimmer hatte sich, nachdem ein Arzt auch bei dem Bewohner von Nr. 2 den inzwischen eingetretenen Tod festgestellt hatte, die Gerichtskommission zurückgezogen, um sofort die ersten Vernehmungen an Ort und Stelle zu Protokoll zu bringen. Nachdem zuerst der Hotelier und seine Angestellten verhört waren, wurde Dreßler vorgerufen.

Der alte Gerichtsrat, der die Untersuchung in die Hand genommen hatte, bat den Doktor nach Feststellung seiner Personalien möglichst im Zusammenhang vorzutragen, was er zu der mysteriösen Mordaffäre aussagen könne.

„Der Herr, den ich heute morgen gegen 1/28 in Zimmer Nr. 6 mit einem Dolch im Herzen ermordet auffand,“ begann Dreßler, „heißt nicht, wie er hier angegeben hat, Max Dräger, sondern Michael Durgassow und wohnt in Danzig. Sein Schwiegersohn ist der ebendort beheimatete Ingenieur Hans Wieland. Vor acht Tagen, in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch, verließ Durgassow seine Wohnung, ohne seinen Kindern Nachricht zu geben, wohin er sich gewandt hatte. Der alte Herr litt, wie mir seine Verwandten erzählten, in der letzten Zeit an schweren Gemütsdepressionen und mag in einem Zustande momentaner geistiger Störung die Idee gefaßt haben, hier im Berent einige Zeit unerkannt zu leben. Für

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/81&oldid=- (Version vom 31.7.2018)