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Heinrich Schreiber: Das Suggenthal. In: Das Karlsruher Unterhaltungsblatt. 3. Jg. 1830. S. 93-99

in den verschlungenen Gängen. Hunderte von Bergleuten stiegen auf und ab, und wenn es Sonntag oder Kirchweih war, konnte man sich nicht satt hören an der köstlichen Musik, nicht satt sehen an dem Gold und Silber, und nicht satt trinken an dem besten Weine; denn die Leute waren üppig und prunkliebend, wie es alle sind, welche schnell zu Gold kommen und schnell davon los werden müssen, damit wieder neues Platz hat. Am tollsten aber gieng es in dem Schlosse her, wo die Edelfrau, wie eine Fee Melusina mit ihrer wunderschönen Tochter den Sitz hatte.

Was man nur Kostbares und Seltenes in allen Landen auftreiben konnte, wurde hier zusammengebracht. Wenn die Edelfrau einen Fremden empfieng, so wurde er, ob Sommer oder Winter, in eine Laube gebracht, die ganz von köstlichen Metallen geflochten war. Die Stämme waren von Silber, die zitternden Blättchen von Gold; wenn sie zusammenschlugen, so tönte es so himmlisch, wie von fernen Glöckchen. Auf den Zweigen saßen Vögel, welche zu singen anfiengen, Blumen eröffneten sich und hauchten süße Wohlgerüche aus, und Diamanten glänzten darauf als Thauperlen. Oft sah man auch die Mutter mit ihrer Tochter und ihren Frauen mit einem goldnen Kegelspiele sich ergötzen. Was ihr aber am meisten Freude machte, war ein Becken vom reinsten Krystall, welches auf vier goldenen Säulen über ihrem Bette ruhte, und worin die niedlichsten Goldfischchen sich bewegten, während bunte Kanarienvögel in einer abgesonderten Glaskugel mitten unter den Fischen umherzuhüpfen, mit ihnen zu spielen und aus dem Wasser hervor zu singen schienen. Die Edelfrau war so sehr in dieses ihr Gelüste verliebt, daß sie jeden Morgen stundenlang den Thierchen zusehen und zuhören, und die Vorhänge ihres Schlafgemachs richten lassen konnte, daß einzelne Sonnenstreifen da und dort hinfielen und das kleine Zauberwerk durch die Farbenpracht des Lichtspieles erhöhten. Was aber der Edelfrau einzig lästig fiel, war das fortwährende Ausleeren und Wiederfüllen des Beckens, und sie kam daher auf den Gedanken, ob es nicht möglich wäre, eine lebendige Quelle dahin zu leiten und versprach sogar ihre Tochter demjenigen, welcher den Versuch glücklich machen würde. Sie hatte freilich dabei noch einen andern und viel wichtigern Zweck; denn es gebrach dem Thale ganz an Wasser und die Arbeiten konnten wegen diesem Mangel bei weitem nicht so gefördert werden, als es sonst möglich gewesen wäre. Kaum war diese Gesinnung der Edelfrau bekannt geworden, so zeigte sich auch schon ihr Obersteiger, der junge und kecke Reinbold willig, ihr Folge zu leisten. Mit unsäglicher Mühe zog er einen Kanal von der sogenannten Platte bei St. Peter über alle Bergrücken, weit über zwei Stunden in das Thal herab und brachte so die lebendige Quelle in das Becken. Jedermann war ausser sich vor Verwunderung über das Riesenwerk, und mancher wohlerfahrene Mann flüsterte seinem Nachbar bedenklich in die Ohren: „da hat der (Gott sey bei uns!) mitgeholfen, der auch in Regensburg durch das Kirchengewölb hindurchgefahren ist; die Zeit wird’s schon lehren!“ Aber unser Reinbold schritt so wohlgemuth hin und her, und warf seinen Kopf noch höher als man es bisher von ihm gewohnt gewesen war. Als aber zum erstenmal die Quelle in das Becken sich ergoß, und die Fischchen noch fröhlicher hin und herschwammen und die Vögelchen noch lustiger ihr Liedchen ertönen ließen, trat der Obersteiger zuversichtlich zur Edelfrau hin und erinnerte sie an ihr Wort. Sie leistete auch keinen Augenblick Widerstand; denn der Reinbold hatte so etwas Zwingendes in seinem Blicke, als wäre in ihm noch ein Mächtigerer als in der Edelfrau und ihrer Tochter. Sie legte also beider Hände ineinander und ließ ein Hochzeitmahl zurichten, köstlicher als es Grafen oder Fürsten in damaliger Zeit aufzubringen vermochten. Aber kein redlicher Mann hatte Freude oder nahm Antheil daran, denn Reinbold war wegen seines Hochmuths und seiner schlechten Streiche verhaßt, und die Edelfrau galt allgemein für ein Weib mit dem es nicht richtig stehe, und die man in der Waldpurgisnacht wohl anderswo als in ihrem Bette finden dürfte. Aber in’s Gesicht war ihr Jedermann höflich und unterthänig, denn sie war gleich mit Strafen aller Art bei der Hand, und schwang wohl selbst auch die Geisel über einen armen Unglücklichen. Man diente ihr nur, um geschwind viel Geld zu bekommen, und sich

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Schreiber: Das Suggenthal. In: Das Karlsruher Unterhaltungsblatt. 3. Jg. 1830. S. 93-99. Müller, Karlsruhe 1830, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Suggenthal.djvu/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)