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Heinrich Schreiber: Das Suggenthal. In: Das Karlsruher Unterhaltungsblatt. 3. Jg. 1830. S. 93-99

dann damit, wie mit einem Raube, davonzumachen. Aber es war kein Segen in dem Gelde, die Vernünftigern ließen sich dadurch warnen, aber die Leichtsinnigen kehrten zurück, und fielen nach und nach völlig in die Fallstricke des Bösen.

Jetzt ging es in dem Schlosse hoch her, die Musik tönte Thal auf und Thal ab, die köstlichsten Speisen dampften theilweise unberührt, und der Wein floß in Strömen. Da führte es den ehrwürdigen Pfarrer jenseits des Berges diesen Weg. Er wäre gern dem Getümmel ausgewichen, aber es war nicht möglich, denn man hatte ihn zu einem todtkranken alten Manne berufen, welcher in dem obersten Häuschen des Thales wohnte, und jede Stunde seiner Auflösung entgegen sah. In dieser Familie allein, die aus dem Vater und zwei Kindern, einem Sohne und einer Tochter bestand, lebte noch die alte Gottesfurcht, und hatte man sich von den Verführungen des Thals rein erhalten. Deshalb berief man auch den Geistlichen, was sonst hier nicht mehr Sitte war. Vor diesem gieng nun, denn er trug die letzte Wegzehrung des Kranken, ein Knabe her, und die einsamen Töne des Glöckchens stachen ganz seltsam gegen die rauschende Musik des Hochzeitfestes ab. So eben stand Reinbold mit seiner Braut und ihrer Mutter an dem Fenster, als der widerliche Ton seine Ohren traf und der Geistliche mit seinem Begleiter vorüber ging. Unten im offenen Hofe wirbelten die Paare durcheinander, von denen doch einige beim Anblick der Vorübergehenden zu stutzen und sich wenigstens auf einen Augenblick zu mäßigen schienen. Denn es ist auch für das verwildete Gemüth sehr ernst, wenn ein einsames Sterbestündchen so warnend in das Gebraus einer wilden Freude hineintönt. Aber Reinbold ergrimmte, sobald er diese kleine Störung vernahm und rief zu den taumelnden Gästen hinab: „Was habt ihr Anstand, hat nicht jede unserer Kühe an ihrem Hals eine solche Schelle hängen?“ Beifällig lächelten Braut und Mutter dem hochmüthigen Redner zu, und von dem Hofe herauf erscholl ein lauter und vielstimmiger Beifall. Rauschender erhob sich von neuem die Musik und wilder raseten die Tänzer.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Schreiber: Das Suggenthal. In: Das Karlsruher Unterhaltungsblatt. 3. Jg. 1830. S. 93-99. Müller, Karlsruhe 1830, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Suggenthal.djvu/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)