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hatte ein Zufall vermittelt. Rohe Burschen hatten an einer entlegenen Stelle des Hafens einen jungen, kranken, herrenlosen Hund ins Wasser geworfen und suchten ihn durch Steinwürfe zu töten. Da war Heinrich gerade des Weges gekommen, hatte den herzlosen Tierquälern in höchster Empörung das Schändliche ihres Tuns vorgehalten und wäre darauf von der Horde beinahe jämmerlich verprügelt worden, wenn nicht Werner Seiffert noch zur rechten Zeit, von ungefähr in seinem winzigen Motorboot sich jener Uferstelle nähernd, sich eingemischt und Knaben und Hund in seinem Fahrzeug geborgen hätte. Der Hund, den der Chemiker Montag taufte, da er an diesem Tage in seinen Besitz gelangt war, hing mit rührender Treue an seinem Herrn, hatte sich inzwischen zu einem prächtigen, starkknochigen Dobermann entwickelt und teilte die Einsamkeit seines Gebieters zusammen mit einem Dutzend Hühner, einer Ziege, einem fetten Borstentier und mehreren Enten und Gänsen. – Der Knabe aber, der Montag mit das Leben gerettet hatte, wurde bald des Einsiedlers einziger Freund und häufiger Gast. Diese Freundschaft hatte der Steuermann, kaum daß er davon erfahren, dem Knaben sofort aufs strengste untersagt. Weshalb, wußte Heinrich nicht, merkte nur, daß sein Onkel den Einsamen von der Eicheninsel mit heimlichem Hasse verfolgte. Trotz des ausdrücklichen Befehls seines Oheims und Vormundes hatte der Knabe jedoch jede Gelegenheit wahrgenommen, Seiffert zu besuchen, der den Jungen herzlich liebte und so gut es ging, ihn gegen die brutale Willkür August Wends schützte. Gerade hierdurch mußte der unbegreifliche Haß des Steuermanns notwendig immer neue Nahrung erhalten.

Die Freundschaft zwischen Seiffert und Heinrich währte etwa zwei Jahre, als die Ereignisse eintraten, die vorstehend geschildert sind. –

Das von einem alten Matrosen geruderte Boot legte an einer durch eine Stacheldrahttür versperrten Steintreppe an, neben der sich ein Klingelzug befand. Heinrich setzte diesen in Bewegung. Es vergingen jedoch

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W. Belka: Das Tagebuch des Steuermanns. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_des_Steuermanns.pdf/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)