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Seite:Das Volkstestament der Deutschen Christen.pdf/6

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Forderung der Wissenschaft, die Evangelien nicht das sein zu lassen, was sie ihrem eigenen Willen nach sind? Müssen wir nicht die Frage stellen: Welcher Wissenschaft? Für die Herausgeber des Volkstestaments gelten als selbstverständliche wissenschaftliche Voraussetzung allerlei Grundsätze, die keineswegs Allgemeingut der neutestamentlichen Wissenschaft sind. Grundmann und seine Mitarbeiter erwecken den Anschein, als ob ihre wissenschaftlichen Voraussetzungen von allen Fachleuten geteilt würden, nur mit dem Unterschied, daß von ihnen mutig vor aller Öffentlichkeit die angeblich unerläßlichen Schlussfolgerungen gezogen werden. Es ist für Grundmann selbstverständlich, daß alles aus der „Botschaft Gottes“ herauszustreichen ist, was dem modernen Menschen unmöglich scheint.[1] So müssen alle Wunder fallen, die nicht natürlich zu erklären sind. Die Krankenheilungen bleiben bis auf wenige Ausnahmen stehen[2] – sie können ja Auswirkungen natürlicher Heilkräfte sein! Immerhin wird auch die Heilung der zehn Aussätzigen gestrichen und zwar mit der Begründung, daß sie deutlich eine legendäre Geschichte darstelle, und die Geschichte von der Speisung der Fünftausend wird in einer Form wiedergegeben, die den Wundercharakter völlig zurücktreten läßt.[3] Legendär sind aber vor allem die anderen Wundererzählungen, das Meerwandeln des Petrus und das Erscheinen Jesu auf dem See, der wunderbare Fischzug, die Verfluchung des Feigenbaums und selbstverständlich die Geschichte vom Jüngling zu Nain. Die Erzählung von der Tochter des Jairus findet Gnade, weil sie noch die Möglichkeit einer rein natürlichen Erklärung bietet. Sie steht bezeichnenderweise unter der Überschrift: „Vom Tode Gezeichnete stehen auf!“[4]

Bei folgerichtiger Durchführung dieser Grundsätze dieser Grundsätze können aber vor allem die Geburts- und Auferstehungsgeschichten nicht aufrechterhalten werden. Grundmann sieht sich in der Tat hier vor einer „ernsten Frage“. Er muss grundsätzlich feststellen: „Ursprung und Ausgang des Christus (!) sind und wesentlich nur durch den Schleier keuscher Dichtung bekannt.“[5] Das ist eine etwas weitmaschige Formulierung, die nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß in Wirklichkeit Kindheits- und Ostergeschichten ebenso zu streichen wären wie die oben genannten Wundererzählungen. Nun, zum guten Teil müssen diese Geschichten auch das gleiche Schicksal erleiden wie die übrigen „Legenden“.[6] Aus der Jesusgeschichte verschwinden die Erzählung von dem Traum


  1. S. XI
  2. „Sein Aufbruch“, Z. 77–218 u. 407–415
  3. „Sein Aufbruch“, Z. 381–406
  4. „Sein Aufbruch“, Z. 164–218
  5. Quellenangabe bisher nicht möglich, da der Bearbeitung Volltexte von bsplw. Grundmann: Unsere Arbeit am Neuen Testament (1939) nicht vorliegen
  6. S. XII
Empfohlene Zitierweise:
Karl Fischer: Das Volkstestament der Deutschen Christen. Bekennende Evangelisch-luth. Kirche Sachsens, Dresden 1940, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Volkstestament_der_Deutschen_Christen.pdf/6&oldid=- (Version vom 20.11.2023)