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Etwas wie Rührung spüre ich, als ich Gerdas Lagerstatt weggeräumt, als ich alles tilge, was an ein Weib hier in dem Versteck gemahnt.

Die Arbeit ist beendet. Nun werde ich nach dem Kameraden suchen … Ich steige in die Back hinab, in die Verschläge … Nichts … In unserer Kajüte liegt in meinem Schränkchen der Bernsteinrahmen mit meinem Kinderbilde. Eine Anzahl der gelben Perlen fehlen. Ich erinnere mich, daß ich in den Ohrläppchen einiger der toten Neger gelben Ohrschmuck gesehen habe. Die Bernsteinperlen schwimmen jetzt mit den Leichen zugleich in der Strömung irgendwohin – irgendwohin …

Zuletzt durchsuche ich noch den Heckverschlag, in dem der Vierzylinder steht. Auch hier nichts.

Armer Kamerad!!

Und wie ich nun achtern an der Reling lehne und die schlafenden Jörnsens betrachte, wie in meiner Erinnerung die Schreckensbilder der letzten Stunde wieder aufleben und ich krampfhaft an der langentbehrten Zigarre sauge, da entgleitet sie mir plötzlich und rollt in eine der Kaffeelachen …

Der Meutererkapitän!!

Wie war’s nur möglich, daß ich ihn bisher vergessen hatte – ihn, den einzigen Weißen, den einzigen, den ich nicht als Leiche gefunden?!

Wo war dieser Mann geblieben?!

Und meine Augen prüfen mißtrauisch die düstere Umgebung …

Entflohen?!

Und Gerda?!

Er verschwunden – sie verschwunden …

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/116&oldid=- (Version vom 31.7.2018)