Seite:Das tote Hirn.pdf/133

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Jörnsen und Frau Helga mich in meine Koje geschleppt und mir die zerfetzten Hände, die zerschundene Knie und die Schädeldecke bepflastert hatten.

Ich war aufgewacht und hatte mich aufrichten wollen …

Wollen … Ich hatte keine Gelenke, keine Muskeln mehr. Nur noch schmerzende Stellen … überall.

Durch den Treppenniedergang fiel in breitem weißen Strahl Sonnenlicht in dieses Lazarett, das nach Jodoform, Lysol und anderem duftete.

Neben meinem Kopf an einem Nagel hing an der Holzwand meine Nickeluhr.

Eins zeigte sie, genau eins. Also ein Uhr nachmittags. Zehn Stunden geschlafen … Der Kopf schwer und benommen. Die Augen so empfindlich, daß ihnen das grelle Licht wehtat. Und die Geschehnisse der Nacht nur noch wie verwaschene, unwirkliche Eindrücke aus der Welt der Träume.

Mühsam drehte ich den Kopf nach rechts. Drüben an des Kameraden Schmerzenslager saß Holger Jörnsen und nickte mir freundlich zu, sagte gedämpft: „Er ist ebenso zäh wie du, Abelsen … Vorhin hat er schon ein paar Worte geflüstert … Wir bekommen ihn durch. Das Fieber ist kaum nennenswert. – Und du? Wie fühlst du dich?“

Ich so zäh wie Boche Boche?! – Nein, wohl kaum … Ob ich mit der entsetzlichen Wunde drei Tage dort im Boot, doch fraglos ohne Speise und Trank, überdauert hätte – wohl kaum! Ich, der jetzt schon nur nach dieser Nacht hier wie ein Häuflein Unglück lag!! – Und diese Gedanken waren die beste Medizin … Der Gedanke ist

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/133&oldid=- (Version vom 31.7.2018)