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Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309

migrationibus, Basel 1557, und seine schwindelhafte habsburgische Genealogie von 1564, Adam Reißners Frundsbergische Historia von 1572, ferner eine Eßlingische Chronik und eine Gmündische Historia, beide zweifellos handschriftlich. Wir wissen, daß Wolleber von Büchern tatsächlich den Cuspinian aus dem Besitz des Pfarrers Hauff in Beuren, die Frundsbergische Historia aus dem des Schorndorfer Zollers, Münsters Kosmographie, Aventins Bayrische Chronik, eine braunschweigische und eine schweizerische Chronik, eine Übersetzung Julius Cäsars, die Chronik Melanchthons, ein Leben Luthers, Bebels Facetiae, einen Zauberteufel, ein Turnierbuch, und zwar das Rüxners, in Händen hatte, wovon das meiste vom Buchhändler Offenbach in Tübingen entlehnt war, von Handschriften den Sebastian König, des lateinischen Schulmeisters zu Schorndorf Christoph Ried Historia der drei Städte Stuttgart, Waiblingen, Schorndorf, eine Gmündische Geschichte und einen Büschel Übersetzungen aus Lazius.

Was zunächst die als Quellen angegebenen Bücher betrifft, so ist nicht nur bei den lateinisch geschriebenen, die Wolleber nicht verstand, sondern auch bei den deutschen sicher, daß er sie nicht benützt hat. Er war kein Gelehrter, der Forschungen anstellte, sondern ein Sammler, der nahm, was er erwischen konnte. Zudem ist es mir nur in zweien dieser Bücher, in des Lazius de gentium aliquot migrationibus (S. 503 ff.) und in Münsters Kosmographie (S. 592 ff.), gelungen, einen zusammenhängenden Abschnitt über Württemberg aufzufinden, und beide haben Wolleber nicht als Vorlage gedient; wenigstens steht das wenige, das er mit ihnen gemeinsam hat, auch in anderen Quellen und ist bei ihm mit vielem Fremdartigen vermischt. Sicher hat er, wie manche Chronisten der Zeit, nur Rüxners Turnierbuch benützt, das mit seinem fabelhaften Inhalt die klaffenden Lücken im Wissen über die älteste Zeit bequem ausfüllte. Nicht einmal eine ausführliche Stelle aus Naucler über Konradin, die ihm Martin Crusius (in einem Schreiben vom 9. November 1588) auszog und übersetzte, hat er verwertet.

Auch die Benützung von Handschriften dürfen wir uns nicht so denken, daß ihnen Wolleber einzelne Angaben entnommen hätte; vielmehr hat er sie einfach abgeschrieben und hat sich bei einigen das Verdienst erworben, sie für die Nachwelt zu erhalten. Am auffallendsten ist die Benützung der Chronik, die der Stuttgarter Ratsherr Sebastian König 1554 abgeschlossen hatte. König hatte in Tübingen studiert[1] und war hier von dem Nauclerschen Geist beeinflußt worden; er hatte eine handschriftliche


  1. Er wurde am 22. Mai 1527 immatrikuliert (Hermelink, Die Matrikeln der Universität Tübingen, S. 259).
Empfohlene Zitierweise:
Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309. Kohlhammer, Stuttgart 1911, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Wolleber_-_ein_Bild_aus_den_Anf%C3%A4ngen_der_w%C3%BCrttembergischen_Geschichtschreibung.djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)