von Ihnen fort, er sagt, wenn er keine Mutter hätte, schnitte er sich den Zopf ab und bliebe immer bei Ihnen, und mehr kann kein Chinese sagen; aber er ist fest entschlossen, zurückzukehren. Sie hängen nun einmal alle so merkwürdig an gewissen Dingen, die ihnen zum Anstand als notwendig erscheinen. Ich habe chinesische Diener gekannt, die ungerechte, harte Herren durch Blattern- oder Typhuserkrankungen aufs treueste gepflegt haben – nicht etwa Gefühls und Mitleids halber, sondern des äußern Anstandes wegen – sie hätten nicht für treulose Diener gelten wollen. Dies selbe Gefühl zeigt sich uns ja täglich, wenn wir in China Gäste haben; da wird in unseren Häusern immer alles musterhaft gehen – darauf halten unsere chinesischen Diener um ihrer selbst willen, wo sie in Stellung sind, soll es nach außen gut aussehen. Tas Wunsch, nach Hause zurückzukehren: ist meiner Ansicht nach viel mehr eine Frage des Scheins als der persönlichen Neigung. Ich wette, dem Gefühl nach bliebe er lieber bei Ihnen – obschon ich es nach dreißigjährigem Aufenthalt in China längst aufgegeben habe, Vermutungen anzustellen über die Gefühle der Chinesen. Sie sind eben die ewig Rätselhaften.«
Wir sprachen dann über Tas Rückreise und kamen überein, daß es zu große Schwierigkeiten
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/124&oldid=- (Version vom 31.7.2018)