davor graut uns, wissen wir doch nie, was wir in ihnen finden werden.
Es ist alles so plötzlich gekommen. Das Ende scheint uns ja immer plötzlich. Ich mußte mich erst selbst zurechtfinden, ehe ich Ihnen schreiben konnte.
Er, von dem wir nie gesprochen, ist gestorben. – Wir erhielten in New York ein Telegramm, daß er, dessen Namen ich trage, schwer erkrankt sei. In der Anstalt, in der er sich seit Jahren befand, war eine Feuersbrunst ausgebrochen. Er war zwar gerettet worden, aber infolge der nervösen Erschütterung trat eine schwere akute Gehirnerkrankung ein. Mein Bruder erbat sich telegraphisch Urlaub von seinem Geschäftshause, und wir reisten mit dem nächsten Schiff von New York ab. Als wir eintrafen war alles vorüber. Wir fanden nur ein frisches Grab. Ich ängstigte mich so sehr vor diesem Augenblick, wußte nicht, was er mir innerlich an Unerwartetem bringen würde, denn für das alltägliche Leben und seine kleinen Vorkommnisse glauben wir uns zu kennen, aber bei plötzlichen Gelegenheiten sind wir uns selbst immer wieder Überraschungen. – Als wir zum Grabe gingen, hielt ich mich zuerst fest am Arm meines Bruders, wie um Schutz zu suchen vor Unbekanntem, und dann allmählich ließ die Spannung der Nerven nach -
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/137&oldid=- (Version vom 31.7.2018)