stumpf und mürbe werden, das ist so Menschenlos. Der eine findet es hier in einer engen Irrenzelle, der andere draußen in der weiten Narrenwelt.
»Gottlob, nun hat er ausgelitten, nun ruht der arme Herr,« sagte der Wärter.
Ich schaute ihn erstaunt an. Der Mann sieht Jahr aus Jahr ein solche Schicksale vor sich und kann noch Gott loben!
Vielleicht aber hatte er recht. Leiden ist das Übel, Tod nur Ende und Erlösung.
Immer stiller ward es in mir. Ich war so völlig ruhig, daß es mich selbst erstaunte. Und konnte doch eigentlich nicht anders sein. Die Verzweiflung meines Lebens, die Anklagen gegen das Schicksal liegen weit zurück in vergangenen Jahren. Als es niemand noch wußte, als ich für eine glückliche Frau galt – das war meine härteste Zeit. Damals lehnte ich mich innerlich auf. Unerträglich war das Gefühl eigener Zwecklosigkeit, unerträglich der Jammer um mein junges Leben, das mir noch so unabsehbar lang vorkam. Jetzt scheint mir das alles überwunden. In mir ist schon lange eine große Stille – ich gleiche einem jener ausgestorbenen Häuser, wie die Resignation sie gern bewohnt. Dies Grab ändert nichts mehr. Ohne neue Trauer stand ich daran. Dem Schicksal sei’s gedankt, daß von dem Grab keine Anklage sich gegen
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/143&oldid=- (Version vom 31.7.2018)