nochmals Leben zu riskieren, um ihnen zu Hilfe zu eilen, da doch alles längst vorbei sein müsse. Man spricht sogar davon, Tientsin zu räumen. Im Herbst, wenn Hitze und Regenzeiten vorüber, solle dann ein schöner, großer Strafzug ausgeführt werden.
Was liegt uns an Strafe, die wir um unsere Liebsten bangen! wir wollen Rettung!
Heute besuchten mich ganz fremde Leute, ein alter Mann und eine alte Frau. Sie sagten, sie hätten einen Sohn in Peking gehabt – und das genügte mir; die fremden Leute standen mir mit einemmal ganz nah. Aber sie sagten, sie hätten ihn gehabt, nicht, daß sie ihn hätten. Sie sind ganz überzeugt davon, daß dort hinter den hohen Mauern alles zu Ende ist, daß keiner mehr lebt. Beide hatten etwas Resigniertes, wie alte Leute, denen ihre Liebsten einer nach dem andern weggestorben sind, bis Unglück schließlich als das allein Selbstverständliche erscheint. Die alte Frau hatte etwas frischen Krepp auf ein schäbiges schwarzes
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/238&oldid=- (Version vom 31.7.2018)