Kleid gesetzt, das aussah, als sei es in einer Reihe von Trauern aufgetragen worden. Sie hatten irgendwie erfahren, daß wir in Peking gewesen, und hatten nur die Sehnsucht, einmal über alles dortige reden zu hören und zu fragen, ob wir den Sohn vielleicht gekannt hätten. Sie erwarteten keine Ermutigung, sie waren ganz hoffnungslos. Und das war mir das Entsetzlichste, zu sehen, daß andere, die auch ihr Liebstes dort haben, es als ganz rettungslos verloren bereits aufgegeben haben. Das eigene weiter hoffen wollen erschien mir mit einemmal beinah kindisch und töricht. Alles, womit ich mir täglich ein wenig neuen Mut einzureden suche, ist so kläglich schwach, hat eigentlich kaum eine einzige vernünftige Begründung – auch heute steht es wieder mit voller Sicherheit in den Zeitungen, daß kein einziger Fremder mehr in Peking am Leben ist. Die beiden alten Leute haben sich still dahineingefunden und werden nun so weiter leben und noch mehr Trauern tragen.
Aber ich kann nicht – o Gott, nein, ich kann nicht!
Und wenn sie alle auch sagen, daß alles hoffnungslos vorbei ist und wenn auch die Glocken zu Trauergottesdiensten läuten – ich kann’s nicht glauben – will’s nicht glauben. Und ich schreibe Ihnen weiter, liebster Freund, schreibe Ihnen, weil
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/239&oldid=- (Version vom 31.7.2018)