Seien Sie also dankbar, daß gestern die Tür wirklich aufging und Madame Baltykoff bei mir eintrat, ein Pelzmützchen auf dem Kopf, das ihr so natürlich gut stand, wie jeder Katze ihr Fell.
»Nein, wie beneidenswert unbeschäftigt Sie aussehen!« sagte Madame Baltykoff. »Und ich bin so abgehetzt durch alles, was ich mitmachen und wobei ich gesehen werden soll. In keinem Lande der Welt habe ich noch so viel von »sozialen Pflichten« reden hören! Ich glaube, sie ersetzen alle anderen! Heute war ich schon mit einer New Yorkerin, die mich ins Schlepptau genommen, auf einem Dejeuner, einem Wohltätigkeitsbazar und drei Jours. Und jedesmal, wenn ich die gewisse Ankunftslangweile überwunden hatte und gerade anfing mich etwas zu amüsieren, machte mir mein sozialer Pilot verzweifelte Aufbruchszeichen, weil wir noch in so und soviel Häusern gesehen werden müßten. Ich kam mir schließlich wie eine Verbrecherin vor, die sich Alibis schafft! Nun habe ich noch einen Besuch vor, bei einer ehemaligen Landsmännin, und da müssen Sie mich durchaus begleiten. Es ist Ihnen auch gar nicht gut, so vor sich hin zu brüten, wie ein weiblicher Oblomoff.«
Und da all mein Tätigkeitsdrang von jeher damit geendet hat, mich von äußeren Mächten treiben zu lassen, ging ich mit Madame Baltykoff
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/92&oldid=- (Version vom 31.7.2018)