unbekannt: Die Frau | |
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unter, ohne daß man beachtet, wie nachtheilig und schädlich ihre Vernachläßigung auf die Sitte einer ganzen Generation wirkt; denn nur Wenige gibt es, die erkannt und gewürdigt das schöne Ziel ihrer Sendung erreichen, noch Wenigere, die größer als ihr trauriges Loos mit stummer Verachtung die herrlichen Gaben, die ihnen die Natur verliehen, unentweiht bewahren, und ohne Anerkennung zu erbetteln, sie großmüthig verschenken.
Im allgemeinen kennen die Männer die Frauen nicht, während diese sie meistens durchblicken, genau ihre Schwächen und Leidenschaften studiren – und wenn es ihnen darum zu thun ist – auch zu benützen und zu beherrschen wissen, so wie sie mit einem merkwürdigen Scharfblick den Grad der Empfindungen ablauern, den sie erwecken. Allerdings werden ihnen diese Studien dadurch sehr erleichtert, daß die Männer gewöhnlich jener Fertigkeit entbehren, rasche Übergänge ihrer Gefühle durch die Reflexion anfzuhalten, wo es Noth thut, und im Sturme der Leidenschaft selten jene Mäßigung finden, die ihrer Äußerung allein die Grenze setzen kann, wie weit sie gehen dürfen, ohne die Form zu verletzen, oder sie der Beurtheilung der Welt preiszugeben.
unbekannt: Die Frau. Carl Winiker, Brünn 1859, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Frau_anonym_1859.djvu/11&oldid=- (Version vom 21.11.2023)