Die Pendüle schlägt Eins; Julie greift nach dem langen schwarzen Mantel, den ihr Nanon gebracht, um sie unkenntlich zu machen in der Nachtdämmerung, selbst wenn ihr Jemand begegnen sollte, und eilt hinaus. Der breite Corridor mit seinem Pflaster von großen, kalten Steinfließen ist voll grauer Dämmerung, in die das Mondlicht, durch die schmalen, kleinscheibigen Fenster dringend, da und dort grellweiße, schwarzvergitterte Flecken malt. Wie laut doch ihr leichter Tritt widerhallt; wie stark ihr Kleid unter dem schwarzen Mantel knistert! Jetzt hat sie die kleine Treppe erreicht, – der Schlüssel knarrt im Schloß – sie ist im Garten.
Der Thau liegt über Allem – die Luft ist feucht, selbst der rothe Sand unter den Füßchen der Prinzessin ist feucht. Eine Fledermaus flattert über ihrem Kopf quer in die Finsterniß einer mächtigen Baumgruppe hinein. Die Façade der Abtei, eines schwerfälligen Gebäudes, an dessen schmucklosem Mitteltract die verschiedenen architektonischen Epochen sich mit den widersprechendsten Anbauten verewigt haben, ist mit grellem Mondlicht
Ossip Schubin: Etiquette. Paetel, Berlin 1887, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Etiquette_Schubin_Ossip.djvu/87&oldid=- (Version vom 31.7.2018)