Seite:De Etiquette Schubin Ossip.djvu/88

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übergossen, unter dem vorspringenden Dachfirst zeichnet sich ein breiter, schwarzer Schattenstreifen.

Warum ist denn Alles so schwarz, so traurig, warum senken die Blumen die Köpfchen und weinen? –

Aus einem offenen Fenster der Abtei dringt ein schriller Laut, eine wilde, klagende, schauerliche Melodie, halb geschluchzt, halb gesungen.

Julie horcht auf und schaudert. Die Irrsinnige ist es, die seit mehr denn dreißig Jahren in der Abtei untergebracht worden. Sie haben ihr den Geliebten erstochen in einer schönen Mondnacht unter ihrem Fenster – ihr eigener Bruder hat es gethan. Sie hat den Verstand verloren darüber – es sind volle dreißig Jahre her – sie ist alt und verwittert, aber an schönen Mondnächten stellt sie sich doch noch ans Fenster und singt in die Nacht hinaus – immer dasselbe Lied, mit dem sie ihm sonst das Zeichen gab zu ihrem Stelldichein.

Athemlos eilt Julie der Richtung des Kirchhofs zu, der, nur durch eine grüne, scharfkantig

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Ossip Schubin: Etiquette. Paetel, Berlin 1887, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Etiquette_Schubin_Ossip.djvu/88&oldid=- (Version vom 31.7.2018)