Mittagstille über den Bäumen und Wirthschaftsgebäuden. Wie eine schattige Oase dunkelt des Controlleurs Garten, als sie an der Pforte vorbeischreiten. Alle drei zieht es hinein, aber Richard hat sich jetzt vorgenommen, die Mama müde zu laufen, die Mama fühlt ihre Jugend und Leistungsfähigkeit in Zweifel gezogen, und Toni läuft mit, die hat nur den Willen ihrer Umgebung.
Sie schreiten unter den grünumsponnenen Bogen in den Park. Wohl oder übel hat Hausdörffer der Mama den Arm geboten. Damit aber scheint eine ungeheure Elasticität in ihre Glieder gefahren zu sein, sie geht vortrefflich neben ihm im gleichen Schritt, plaudert beständig und wirft ihm jugendliche Blicke zu, ohne sich um Toni zu bekümmern, die gelangweilt und schmollend zurückbleibt. An der Biegung einer langen Platanenallee bemerkt sie erst, daß die Tochter fehlt. Zum Glück ist eine Bank da, sie sinkt darauf hin und macht unwillkürlich Platz neben sich.
„Oder wollen Sie nach meiner Toni sehen?“ flötet sie.
„Nach meiner Braut! Adieu, Mama.“
Fort ist er mit fliegenden Rockschößen, mit langen Stelzbeinen rennt er davon, daß es um ihn wirbelt, wie um einen rollenden Wagen.
Nun wird die Situation schon annehmbarer. Rings nichts als weißes klares Mittagslicht, kein Menschenauge,
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/148&oldid=- (Version vom 19.8.2019)