Berlin war ein Feuerbrand von Sonne. Die Dächer der Häuser und die Fenster zitterten vor Junihitze, so wie die Hitzeluft über Steinwüsten zittert. Es war, als heizten die Scharen der Autos mit ihren Benzindämpfen die Straßen, wie fliegende Öfen. Und die Sonne schien an diesem heißen Junitag nicht von der Stelle zu wandern. Überall war Sonne, überall Höllenhitze.
Vom Stettiner Bahnhof in Berlin fuhr abends der Zug voll von Skandinaviern nach Saßnitz. Es war, als ob alle Menschen vor der deutschen Junihitze flüchteten. Das vornehme palastartige Fährboot, das in vier Stunden in der Nacht von Saßnitz übers Meer nach Trelleborg fährt, landete aber am Morgen in Schweden im flachen Schonen immer noch wie von der berliner Hitze begleitet.
Der Drang, möglichst rasch nach dem kühleren Norden zu kommen, ließ uns nirgends Halt machen. Wir, die Frau, die ich liebe,
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)