Nur einmal in jenem Winter erschrak ich. Da verflüchtigte sich das Feuer ihres Willens zum Unglück. Ihre Augen sahen so verklärt aus, als ginge sie nur noch mit den Zehenspitzen wie eine Traumwandlerin auf den Dächern der Welt.
Als Claudia und Dagon ein Jahr verheiratet waren und sie sich schwanger werden fühlte, waren sie beide nach Kanada ausgewandert. Sie wußte nicht mehr, wer zuerst den Plan gehegt hatte. Sicher blieb nur, daß es ihr Unglück war, daß er ausgeführt wurde. Sie, die schon damals fühlte, daß sie in dem Mann so wenig Sicherheit hatte, als wenn sie sich an seinen Schatten anklammern würde, hatte begeistert den Weg ins freiheitliche Amerika angetreten, schwärmend für alles Großzügige, Unbegrenzte, nie Dagewesene. Dort in dem jugendlichen Land Amerika, wo die Frau den Mann regiert, hoffte Claudia vielleicht, Dagon allein für sich zu bekommen und seine Augen, die alle Frauen wie Irrlichter umgleiten konnten, zum festen Blick zu zwingen, der sich dann von ihrem Herzen nicht mehr abwenden sollte. Denn Claudia wollte Dagons eidechsenhaften Seelenbewegungen die schwerthafte Stärke ihrer Augen geben.
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)