Aber was half es ihr. Alle ihre Kraft verpuffte nur wie nasses Pulver, da Dagons Schicksal feindlich gegen ihr Schicksal gerichtet war.
Kaum waren beide in Amerika gelandet, so erhielten sie die Nachricht, daß Dagon seinen Vater verloren habe und wegen wichtiger Erbschaftsangelegenheiten nach Deutschland zurückkehren müsse.
Claudia konnte nicht umkehren; sie hatte eben ihr erstes Kind geboren und lag zu Bett. Und Dagon entglitt ihr, wie sie es immer erwartet hatte. Der Ozean trennte sie bald. Sie, die keine Stunde ohne ihn sein wollte, war gezwungen, ihm von einem Weltteil zum andern nachzuklagen. Und als Dagon später Claudia nachkommen ließ und sie in Europa erwartete, hatten sie nicht den Ozean hinter sich gelassen, als sie sich wieder die Hände reichten. Zwischen ihrer beider Augen blieb der erste Ozean der Trennung, und viele Ozeane folgten, die sich einer an den andern reihten. Denn Dagon hatte Claudia von da ab mit der und jener Frau betrogen, mit der und jener Freundin. Wenn sie auch immer Geständnisse aus ihm herauslockte, das Urversprechen einer Treue, einer männlichen Festigkeit,
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/160&oldid=- (Version vom 31.7.2018)