Augen. Trotzdem sie mich anstarrte, schien sie mich nicht zu sehen. Sie horchte nur, immer weilte ihre Aufmerksamkeit nur in ihren Ohren. Man merkte es ihr aber an, daß sie geschäftsmäßig, auf Bestellung und für Bezahlung dastand, denn sie zeigte in Haltung und Miene ärmlich weiblichen Pflichteifer.
„Sagen Sie mir,“ fragte ich laut und dabei lächelnd und blieb eine Sekunde im Gehen stehen, „warum um Gottes willen warten Sie Nacht um Nacht bis zum Morgen hier? Ich habe Sie nun schon oft beobachtet. – Dürfen Sie es nicht sagen?“ fuhr ich fort, als sie schwieg. Sie hatte mich einen Augenblick von der Seite angesehen, beinahe ebenfalls belustigt wie ich, dann aber starrte sie mit abgewendetem Gesicht nach einer andern Himmelsrichtung, wie ein Hund, den man anredet, und der fortsieht und sich besinnt, ob er böse werden soll oder nicht.
„Na, wenn Sie es nicht sagen wollen,“ sagte ich gedehnt und wartete, um ihr Zeit zu lassen. Sie aber sah immer starr in die Seitenstraße und rührte sich nicht.
„Wenn Sie nichts sagen dürfen –,“ lachte ich und ging langsam und nahm mir vor, wenn
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/188&oldid=- (Version vom 31.7.2018)