auf Koster gewesen. Die Menschen dieser Insel sind unschuldig wie der Mensch am ersten Tage der Schöpfung.
Dies alles muß man vorher wissen, um die winzige Geschichte von dem winzigen Giftfläschchen zu verstehen. –
Es war kurz nach Johanni, als das große Makrelenboot abfuhr, das die jungen Leute von Koster und von den umliegenden Inseln abgeholt hatte, um hinaus in die Nordsee zu fahren und draußen während des Makrelenfangs liegen zu bleiben, bis es Herbst wurde. Dieser war der wichtigste Sommertag für alle Bewohner der Insel: der Abfahrtstag des Makrelenbootes. Im kleinen Hafensund schwamm, als das große Boot mit seinen großen rotbraunen Segeln wie eine Riesenpflugschar im Meer um die Ecke der Insel verschwand, ein Dutzend Rudernachen. In jedem Boot saßen ein oder zwei Frauensleute und hielten ihre Schürzen vor das Gesicht und weinten. Es waren Frauen, die ihre Männer fortsegeln sahen, Bräute ihre Bräutigams und Mütter ihre Söhne.
Das ganze weibliche Königsgeschlecht von Koster saß dort auf dem Wasser und weinte, und auf dem Mammutrücken der blauen Granitklippen
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)