schob mir das kleine Fläschchen aufdringlich in die Hand, als wenn dieses mir eben erst aus der Tasche gefallen wäre. Und breitspurig wanderte er davon.
„Ich habe das nicht verloren,“ rief ich ihm nach. Er aber sah sich nicht mehr um und stolperte über die Granitbuckel und über das Heidekraut und zeigte mir seinen breiten ungeheuren Rücken, der so viereckig war, als trüge er eine große Schulschiefertafel unter dem Rock.
Auf dem kleinen Zettel, den er mir mit dem Fläschchen gegeben hatte, und an welchem man noch den Abdruck des Fläschchens bemerkte, das in das Papier eingewickelt gewesen war, auf diesem Zettel stand mit vergilbter alter Tinte das Wort „Gift“ geschrieben, dreimal unterstrichen und dann:
„Zehn Tropfen reizen die Sinnlichkeit (es war ein derberes Wort gebraucht, das ich hier nicht wiedergeben kann).
Zwanzig Tropfen bringen den Wahnsinn und
jeder Tropfen darüber – den Tod.“ So stand auf dem Zettel. –
Ich betrachtete das Fläschchen verblüfft. Es war mit einer gelbwässerigen Flüssigkeit
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)