erst recht vor, zärtlich zu ihm zu sein, da er nun doch das Zimmer nur für sie so schön geschmückt hatte.
Zu Hause, als sie den Mantel abgelegt, sah sie, wie ihr Mann, nachdem er nach der Uhr gesehen, nach einem der Balladenbücher griff und es vom Bücherbord herunterlangte. Und statt sich auszukleiden, streckte er seine Beine auf dem Sofa aus und schlug das Buch auf und las für sich.
Die Frau entkleidete sich inzwischen und kämmte ihr Haar am Spiegel aus, schlüpfte dann ins Bett unter die seidene Bettdecke und verhielt sich eine Weile mäuschenstill, um abzuwarten, bis ihr Mann ausgelesen hatte.
Nach einer Weile klappte er das Buch zu, und sie sah, wie er sich aus einer bisher ungeöffneten Zigarrenschachtel eine große Zigarre holte und diese anzündete. Und als sie den fein duftenden Rauch roch, dachte sie bei sich: so gute Zigarren raucht er doch sonst nicht. Die hat er auch zu meinem Empfang gekauft.
Und sie nahm jede Rauchwolke, die er von sich blies, als eine Huldigung dar.
Dabei kam ihr der Gedanke, daß sie
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/230&oldid=- (Version vom 31.7.2018)