weinenden Frauen, die in den Booten neben den bellenden Hunden jetzt langsam wieder zum Ufer zurückruderten, und die von ihren Männern verlassen waren. Hier konnte ich Unheil stiften, ich konnte blindlings den Verführer spielen. Ein paar Tropfen in ein Glas Milch, ein paar Tropfen in einen Teller Suppe hätten die züchtigen, unschuldigen, aber zu derber Sinnlichkeit veranlagten Fischermädchen in geile, gierige, männertolle Furien verwandeln können. Ich schauderte vor diesen ekelhaften Gedanken, die mir von diesem Giftfläschchen aufgezwungen wurden, und wunderte mich. Ich schauderte vor dem winzigen Giftfläschchen, das da plötzlich in meine Hände gekommen war, hier fern von aller überreizten Kultur, fern von dem großen Menschentrubel Europas, fern von jener Welt, in der Abenteuer, Morde und Selbstmorde täglich die Zeilen der Zeitungen überschwemmten. Hier, sozusagen am Ende der Welt, wie kam hier, zweiundzwanzig Jahrtausende hinter Berlin, auf diese unschuldige Erde dieses rasend und liebestoll machende Gift?
Die Geschichte des Fläschchens war die:
Der Heide, der alte Kapitän, erzählte sie mir endlich notgezwungen nach ein paar Tagen.
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)