schienen. Sie konnte aber den Knoten der Schnur, die an die Türklinke angebunden war, nicht aufmachen, und so ging ich hinzu und half ihr.
Mein Blick fiel zufällig, während ich den Knoten löste, auf einen Kohlenkasten, der da stand, und ich wurde von ein paar seltsam blauen Papieren, die dort lagen, angezogen. Es schienen zerknitterte Geldscheine zu sein. Ich hob dann auch wirklich ein paar Hundertmarkscheine auf, die, wie sich herausstellte, das ganze Reisegeld der Dame waren. Das Geld hatte sie vorher erst von der Bank geholt. In der Meinung, es seien alte blaue Briefumschläge, hatte sie die Geldscheine in der Hast des Packens fortgeworfen, während sie den leeren Briefumschlag sorgfältig in ihre Handtasche gesteckt hatte.
Nun begann sie vor Schrecken zu weinen, und wie zu ihrer Entschuldigung sagte sie:
„Jemand hat mir nicht nur mein Herz, sondern auch meinen Kopf gestohlen.“
Später, als sie mir sehr schön auf ihrer Violine vorgespielt hatte, sagte ich ihr, sie müsse mir das Bild dessen zeigen, der sie dem Gott der Idioten ausgeliefert habe.
Sie zeigte mir das Bild eines jungen Kapellmeisters,
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/274&oldid=- (Version vom 31.7.2018)