Mantelkragen und mit in die Stirn gezogener Pelzmütze saß und in den Himmel starrte. Ich brauchte bei ihrer Kurzsichtigkeit nicht zu fürchten, daß sie mich erkennen würde. Sie ließ sich in der Mitte der Bank nieder, kaum eine Handbreite von mir weg, während ihr Begleiter sich neben sie setzte.
„Gestern abend, als du nicht kamst, wollte ich mir die Zeit vertreiben, und da ich Appetit auf einen Pfannkuchen hatte und ich seit Ewigkeit keinen selbstgebackenen Pfannkuchen gegessen habe, ging ich aus, um alles zum Backen Nötige einzukaufen. Ich kaufte die Sachen gleich in allernächster Nachbarschaft, Milch, Mehl und Eier. Unterwegs kam ich an einem Postkartenstand vorbei, wo in kleinen offenen Kasten Ansichtspostkarten geschlichtet lagen. Ich bücke mich mit Milchflasche, Mehltüte und Eiertüte und gehe langsam an dem Kasten entlang und betrachte mir die Postkarten. Plötzlich höre ich einen glucksenden Laut und sehe, daß die letzten Tropfen meiner Milchflasche auslaufen. Ich hatte beim Entlanggehen an dem Kasten meinen ganzen Milchvorrat über die verschiedenen Serienfächer des Ansichtskartenverkaufes gegossen, denn der Kork hatte sich von der Flasche gelöst.
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/279&oldid=- (Version vom 31.7.2018)