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Ulrike war müde und zog sich schon bald auf ihr Zimmer zurück, nachdem wir nur noch ein wenig geplaudert hatten. Ich blieb bei der Russin sitzen, die aus ihren Schals und Mänteln wie aus einer gepolsterten Loge hervorsah, von der aus sie den Anfang eines Dramas gespannt verfolgte.

„Sie ist für die Männer, was der Baldrian für die Katzen ist“, sagte die Russin, als Ulrike gegangen war. Sie wiegte sich in ihren Decken. „Welch eine Sippe hat sich hier zusammengefunden! Wo ich hinkomme, ist aber auch immer etwas Unheimliches los. So war es immer, so lange ich lebe. Zwar brechen durch mich nicht Ereignisse herein. Aber ich habe eine im Blut liegende Witterung für aufregende Zeiten, Menschen und Gegenden, und werde wahrscheinlich unsichtbar angezogen von Zuständen, bei denen eine gewisse Spannung in der Luft liegt.

Als Sie heute bei Tisch so blaß wurden und den Sonnenstich fühlten, dachte ich bei mir: Da bist du ja gerade recht gekommen, um gleich ein Unglück vorzufinden und helfen zu können. In den meisten Fällen aber kann ich nicht helfen. Da muß ich nur Zuschauer sein und muß froh sein, wenn ich nicht selbst

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/313&oldid=- (Version vom 31.7.2018)