abendroten Wolken saßen, grell hingemalt in Perspektiven an den Deckenkalk, so daß der arme Briefträger kein ruhiges Dach über seinem Schädel hatte, der gemalte Regenbogen über seinem Kopf, auf dem die neun Musen samt Apollo saßen und ihre wohlgeformten nackten Beine über den alten Klavierkasten herunterhängen ließen, – das alles schien den Mann in Ekstasen zu versetzen, die ihn fähig machten, stundenlang bei Trillern und Läufen am Tastenwerk auszuhalten. Dazwischen stieß er gegen seine Kinder Flüche und Drohungen aus, die von Blut und Mordgedanken trieften.
Ich hörte täglich den Musiklärm und seine fluchende Stimme nah wie durch eine Papierwand. Im Treppenhaus war eine verriegelte Verbindungstür zwischen den zwei Haushälften. Diese stand einmal zufällig offen, und ich hatte einen Augenblick im Vorübergehen den schrecklich bunten Apollosaal für einige Sekunden bewundern können.
Die Tochter des Musikgespenstes grüßte öfters mit einem leisen Lächeln im Gesicht zu mir herüber, wenn ich ans Fenster trat, indessen ihr Vater drinnen fluchte oder musizierte. Dieser Gruß war, als wollte sie um
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/323&oldid=- (Version vom 31.7.2018)