mehr so hoch springen konnten, daß sie sich auch nicht mehr so lebhaft untereinander angezogen fühlten, nicht mehr dieselben Tänze vollführten, die vorher die halbnackten Bergleute auf Brust und Rücken ihrer Kameraden bewundert hatten. Man konnte ihrem Mutterwitz nicht mehr vertrauen. Sie ließen sich von jeder täppischen Hand fangen. Sie versimpelten so sehr, daß es eine Schande für das ganze Bergwerk war.
Eines Tages, es war im Februar, im Taumonat, der die Erde aufweckt und auch die Triebe der Bergwerkflöhe in der Erde beleben kann, fühlte sich Häcksel, der eben Feierabend machen wollte und seinen Pickel, womit er Kohlen gehackt hatte, an die Flötzmauer stellte, besonders lebhaft hinterm linken Ohr gebissen, so lebhaft, wie seit langem nicht mehr. Häcksel glaubte, es sei Stänker, sein Leibfloh, der frühlingslustig geworden wäre. Aber als der Bergmann mit dem Zeigefinger hinters Ohr fühlte, merkte er, daß ein kleiner, zierlicher, weiblicher Floh dasaß, und er erkannte auch bald, daß es Zinnoberchen war, eine Flöhin, die so genannt wurde, weil sie am rötesten von allen Flohdamen leuchtete, wenn sie sich an Menschenblut satt getrunken
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/83&oldid=- (Version vom 31.7.2018)