Häcksel lebte jahraus, jahrein menschenscheu und ins Bergwerkleben versunken, so daß er ganz abseits stand von allen Lebenserfahrungen. Nie war er in einer Stadt gewesen, nichts wußte er von Faschingstagen, nichts vom närrischen Treiben einer Maskenwelt, die er nie gesehen oder erlebt hatte.
So ging er, in München angekommen, mit schwankenden müden Knien unter den dunkeln Vorstadthäusern hin, die ihn mit ihren vielen Stockwerken und ihren vielen dunkeln Fenstern einschüchterten. Als seine Schritte in der Nacht so einsam auf dem leeren Vorstadtpflaster hallten, wurde ihm schwindlig vor Hunger, Schwäche und Aufregung. Und ängstlich gemacht, weil er glaubte, die stillen Häuserbewohner wecken zu können, zog er seine harten Stiefel aus und ging auf lautlosen Socken weiter.
Er hatte keine Ahnung, daß in den leeren Häusern, die meistens Neubauten waren, noch gar keine Menschen wohnten, und so schlich er an den unbewohnten frischweißen Häusern stumm und behutsam und lautlos wie ein Nachtvogel hin und wußte nicht, daß er wie ein ertappter Dieb aussah.
Zinnoberchen aber, seine Flohherrin, war
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/99&oldid=- (Version vom 31.7.2018)