längst wach und aufmerksam und witterte mit Begierde, von Häcksels linker Schläfe aus, die tausend Flöhe der Stadt München, die jetzt in der Nacht alle auf waren und springend bei Tanz und Leibesfreuden wacher als die Sterne am kalten Februarhimmel lebten. Trotzdem die Häuser hier unbewohnt waren, witterte die eifrige Flöhin den menschlichen Blutgeruch aus den nächsten bewohnten Stadtteilen, und Häcksels Beine gingen ihr viel zu langsam vorwärts; sie wäre am liebsten in großen Sprüngen über die nächsten Dächer dem vor Schwäche taumelnden Häcksel vorausgeeilt.
Und nun stieß Häcksel gar mit dem Kopf an einen Laternenpfahl, wankte und fiel, von Hunger und Überanstrengung geschwächt, besinnungslos neben der Laterne nieder.
Das brachte die Flöhin ganz aus ihrer Ruhe, und sie stieß einen jener Pfiffe aus, den nur die feinen Flohohren hören können, der aber weiter zu hören ist als jeder Menschenruf. Dem groben Menschenohr aber ist ein Flohpfiff zu fein, das menschliche Trommelfell steht wie eine Mauer tot dort, wo ein Flohohr noch Laute hört. Sofort antwortete der Flöhin ein Antwortpfiff. Es war aber kein Floh, sondern
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/100&oldid=- (Version vom 31.7.2018)