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Und fürchtest du die Rose,
Weil stets ihr Dorn dich sticht, –
So pflücke dir Gänseblümchen,
Die, Teuerster, stechen nicht!

 * * *

Du träumst vom Feuer der Liebe,
Das hoch ein jeder preist?
Wisse, in unserm Jahrhundert
Ist es ein Irrlicht meist.

 * * *

Traue keinem hier von allen,
Dann erst recht nicht, wenn die Maske fiel;
Niemals wird die zweite Maske fallen,
Und was Wahrheit scheint, ist Narrenspiel.

 * * *

„Im Münster ist’s finster,“
Wer wüßte das nicht?
Doch sag mir, wo in der Welt
Ist es licht?

Licht war für mich nur die Welt der Bücher; Erkenntnisse, die ich gewann, erfüllten mich mit tiefer heißer Freude, und die Sehnsucht wuchs hinaus aus der Enge des Lebens; von der Phantasie nahm sie die leuchtendsten Farben, um Menschen zu malen, die von Idealen erfüllt, mit den reichsten Waffen des Geistes ausgestattet, eine dunkel geahnte andere Welt zu erobern ausgingen. Mein Tagebuch und die Briefe an Mathilde waren die Vertrauten meines eigentlichen, verborgenen Lebens.

„Ich bin in meinem Studium der Kulturgeschichte beim fünften großen Werke angelangt,“ schrieb ich damals,

Empfohlene Zitierweise:
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/370&oldid=- (Version vom 31.7.2018)