einem scharfen slawischen Akzent – – „was – was war es doch?“ Er goß sich roten Wein in das Glas, – ein paar Tropfen spritzten der Frau zu seinen Füßen auf die weiße Stirn, – er vergaß zu trinken und starrte sie an: „wie schön das ist: die Dornen deines unsichtbaren Kranzes haben dich verwundet, – wie ein Rubin leuchtet dein königliches Blut …“
„Zum Donnerwetter, was schweigt ihr,“ brüllte er im nächsten Augenblick und stürzte den Wein hinunter, „was geht das Euch Kanaillen an?!“ Die anderen lachten.
„Du hast uns deinen Helden schildern wollen!“ sagte jemand.
„Meinen Helden!“ begann er wieder, „das wird ein Kerl sein! Kein waschlappiger Schmachtfetzen, der die Weiber anhimmelt, sondern einer, der zupackt, wie ich!“ – seine Riesenfaust umklammerte den Arm der blonden Frau, die schmerzhaft zusammenfuhr, – „keiner, der den Lahmen Krücken schenkt und den Blinden Brillen, sondern einer, der beiseite stößt, was ihm im Wege steht. Oder meint ihr, das Gesindel um uns sei was besseres wert?! Glaubt mir, wenn wir nicht empor kommen, die Starken, die Hartherzigen, dann wird das Gewürm, das Junge wirft wie die Kaninchen, uns auffressen. Den Schwachen helfen, winselt ihr mit dem verwässerten Christenblut in den Adern? Nein, sage ich: den Schwachen den Gnadenstoß geben, damit die Starken Platz haben!“
Ich hielt mich nicht länger. „Es muß sich aber erst erweisen, wer die Starken sind,“ rief ich.
„Erweisen? Nein, schönste Frau, – wenn wirs nur von uns selber wissen,“ antwortete er, stand auf und
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 639. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/641&oldid=- (Version vom 31.7.2018)