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Eigentlich sah das Ding gar nicht wie eine Kugel aus und machte eher den Eindruck eines gähnenden Loches. – Und es war auch gar nichts anderes als ein Loch. –

Es war ein absolutes – ein mathematisches „Nichts!“ –

Was jetzt geschah, war nichts als die notwendige Folgeerscheinung dieses „Nichts“. – Alles an dieses „Nichts“ angrenzende stürzte naturnotwendig hinein, um darin augenblicklich ebenfalls zu „Nichts“ zu werden, d. h. spurlos zu verschwinden.

Wirklich entstand sofort ein heftiges Sausen, das immer mehr und mehr anschwoll, denn die Luft im Saale wurde in die Kugel hineingesaugt. – – – Kleine Papierschnitzel, Handschuhe, Damenschleier – alles riß es mit hinein. –

Ja, – als ein Offizier mit dem Säbel in das unheimliche Loch stieß, verschwand die Klinge, als ob sie abgeschmolzen wäre. –

„Jetzt dös geht zu weit“, – rief der Major bei diesem Anblick, „dös kann i nöt dulden, – geh’mer, meine Herren, geh’ mer. Biddde, – ich biddde.“ –

„Was host dir denn denkt, eigentlich, Katschmatschek?“ fragten die Herren beim Verlassen des Saales. –

„I? – No – – – –, wos ma sich halt a so denkt.“ – – – – – – – – – – – –

Die Menge, die sich das Phänomen nicht erklären konnte, – und nur das schreckliche, immer mehr anwachsende Sausen hörte, – drängte angsterfüllt zu den Türen.

Die einzigen Zurückbleibenden waren die beiden Inder.

„Das ganze Universum, das Brahma schuf, Vishnu erhält und Siva zerstört, wird nach und nach in diese Kugel stürzen“, sagte feierlich Radschendralalamitra, – „das ist der Fluch, daß wir nach Westen gingen, Bruder!“ – – – – – – – – – – – –

„Was liegt daran,“ murmelte der Gosain, „einmal müssen wir alle ins negative Reich des Seins.“

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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/014&oldid=- (Version vom 31.7.2018)