Seite:De Orchideen Meyrink.djvu/045

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Beichtvater muß doch noch kommen, so hat er es immer gelesen. Das ist Gesetz. – Er glaubt an nichts, aber nach ihm verlangen wird er, es ist sein Recht. – Und den Schädel wird er ihm einschlagen, dem frechen Pfaffen, mit dem steinernen Krug dort. – – – – – Die Zunge ist ihm wie gedörrt. – Trinken will er – er ist durstig. – Himmel, Herrgott! – Warum geben sie ihm nichts zu trinken! – Er wird sich beschweren. – Er wird vortreten und sich beschweren, wenn die Inspektion nächste Woche kommt. – Er wird es ihm schon eintränken, – dem Aufseher, – dem verfluchten Hund! – Er wird solange schreien, bis sie kommen und ihn losbinden, immer lauter und lauter, daß die Wände einstürzen. – Und dann liegt er unter freiem Himmel, ganz hoch oben, daß sie ihn nicht finden können, wenn sie um ihn herum gehen und ihn suchen. – – – – – – – – – – – Er muß irgendwo herabgefallen sein, deucht ihm, – es hat ihm einen solchen Ruck gegeben durch den Körper. –

Sollte er geschlafen haben? – Es ist dämmerig. –

Er will sich an den Kopf greifen, – seine Hände sind festgebunden. – – Vom alten Turme dröhnt die Zeit – eins, zwei – wie spät mag’s sein? – Sechs Uhr. – Herrgott im Himmel, nur noch dreizehn Stunden, und sie reißen ihm den Atem aus der Brust. – Hingerichtet soll er werden, erbarmungslos – gehenkt. – Die Zähne klappern ihm vor Kälte. – Etwas saugt ihm am Herzen, er kann es nicht sehen. – Dann steigt es ihm schwarz ins Gehirn. – Er schreit und hört sich nicht schreien, – alles schreit in ihm, die Arme, die Brust, die Beine, – der ganze Körper, – ohne Aufhören, ohne Atemholen. – – –

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An das offene Fenster des Amtszimmers, das einzige, das nicht vergittert ist, tritt ein alter Mann mit weißem

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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/045&oldid=- (Version vom 31.7.2018)