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Bologneser Tränen

Sehen Sie den Hausierer dort mit dem wirren Bart? Tonio nennt man ihn. Gleich wird er zu unserem Tische kommen. Kaufen Sie ihm eine kleine Gemme ab oder ein paar Bologneser Tränen; – Sie wissen doch: diese Glastropfen, die in der Hand in winzige Splitter – wie Salz – zerspringen, wenn man das fadenförmige Ende abbricht. – Ein Spielzeug, weiter nichts. Und betrachten Sie dabei sein Gesicht, – den Ausdruck!

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Nicht wahr, der Blick des Mannes hat etwas Tiefergreifendes. – Und was in der klanglosen Stimme liegt, wenn er seine Waren nennt: Bologneser Tränen, gesponnenes Frauenhaar. Nie sagt er gesponnenes Glas, immer nur Frauenhaar. – – – – – Wenn wir dann nach Hause gehen, will ich Ihnen seine Lebensgeschichte erzählen, nicht in diesem öden Wirtshaus – – – draußen am See – im Park –

Eine Geschichte, die ich niemals vergessen könnte, auch wenn er nicht mein Freund gewesen wäre, denn Sie hier jetzt als Hausierer sehen und der mich nicht mehr erkennt –

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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/079&oldid=- (Version vom 31.7.2018)