„Das sind doch alles die Himmelszeichen des Polarkreises, nicht wahr? – denken Sie nur, die Wiege der[1] Menschheit auf dem Nordpol!“ unterbrach Graf Oskar, – „übrigens tropisches Klima war tatsächlich in grauer Vorzeit dort oben.“
Gibson nickte mit dem Kopf: „Wissen Sie, daß das alles sehr merkwürdig ist, – wie heißt es denn nur schnell im Zendavesta? Ja: „Dort oben sah man die Sonne, die Sterne, den Mond einmal nur kommen und gehen im Jahr,“ – und: – „es schien ein Jahr ein einz’ger Tag zu sein“, auch steht im Rig-Veda, daß damals die Morgendämmerung tagelang am Himmel stand, ehe die Sonne aufging, [die Herren stießen sich an: was der Mensch für ein unglaubliches Gedächtnis hat] – und dann sagt schon Anaximenes – – –“
„Ich bitte dich um Gotteswillen, hör’ schon auf mit deiner Gelehrsamkeit,“ rief Fredy und schlug den Vorhang zurück, – „ah: die Musik ist aus.“
Blendende Helle strömte herein.
Ein plätscherndes, pritschelndes, tätschelndes Geräusch erfüllte den Saal und wollte nicht enden. –
„Welch’ ein Applaus, meine Herren, sehen Sie nur, wie der Opalpuder in die Luft steigt, – über die Brüstung kommt eine wahre Wolke herauf.“
„Eine recht merkwürdige Mode, diese Art zu applaudieren,“ sagte jemand, – „daß sie übrigens dezent wäre, könnte man nicht – – –“
„Na, und wie weh das tun muß, – ich möchte keine Dame sein, bestimmt nicht – – – à propos, wissen Sie nicht, Graf, wer die erste war, die diese Mode erfand?“
„Das kann ich Ihnen ganz genau sagen,“ lachte dieser, „das war vor Jahren die Fürstin Juppihoy, eine sehr korpulente Dame, die gewettet hatte, die Menge werde ihr auch das nachmachen, – und sie hatte nicht nur die Courage, sondern auch – – – die Corsage
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: der der
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)