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Das Pfennig-Magazin
der
Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse
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Das Palais Royal zu Paris ist ein ganz neues Gebäude: als der Kardinal Herzog von Richelieu die Stelle kaufte, welche es einnimmt, sah man daselbst bloß die beiden alten Hotels Mercoeur und Rambouillet. Damals waren die Straßen Richelieu, Montpensier, Beaujolais noch nicht offen und die Mauern des alten ehemaligen Paris liefen noch schräg durch die Gärten. Auf das Geheiß des Kardinals bekam dieser ganze Theil von Paris ein ganz anderes Ansehen; die Hotels wurden abgetragen, die alten Mauern zerstört, die Gräben ausgefüllt, der Boden ward gleich gemacht und die Straße Richelieu durchbrochen. Im Jahre 1629 erhielt der Baumeister Lemercier den Auftrag zu den Bauten.
Damals lief an der Stelle, wo jetzt die Galerie (der Säulengang) d’Orleans steht, eine Terrasse hin, welche von sieben durchbrochenen Bogenhallen getragen ward, bis ans erste Stockwerk reichte und beinahe dieselbe Wirkung machte, die man jetzt bemerkt. Die Würdezeichen des Oberaufsehers der Marine, welches Amt der Kardinal bekleidete, wiederholten sich zwischen jeder Bogenhalle; sie waren in erhabener Arbeit eingegraben und bestanden in einem Vordertheile des Schiffs und in zwei Ankern nach unten hin. Diese Verzierung wird man jetzt noch bloß am rechten Flügel des Ehrenhofs (cour d’honneur) gewahr.
Wer jeden Abend seine Zeit in der Galerie d’Orleans zubringt, der darf nur einige Schritte thun, um den Anblick dieser Verzierungen zu genießen, welche noch allein bei diesem Denkmale an den Kardinal Richelieu erinnern, der es erbauet hat.
Der ungeheuere Reichthum in seinen Zimmern, und die Verschwendung, welche sich der Kardinal zu Schulden kommen ließ, hätten ihm beinahe die Gunst des Königs entzogen, wenn er nicht der Ursache dieser Ungnade dadurch vorgebeugt hätte, daß er sein Hotel seinem Gebieter durch eine Schenkung unter Lebenden nebst mehrern Geräthschaften und Kostbarkeiten abtrat. Der König nahm dieß Geschenk an, und so kam das jetzige Palais Royal in seinen Besitz.
Im Jahre 1692 erhielt der Bruder Ludwig’s XIV., der Herzog von Orleans, unter dem Namen einer Apanage dieß Gebäude, welches bis zum Jahre 1763 keine wichtige Veränderung erlitt, wo eine Feuersbrunst, welche die Façade des Hauptgebäudes verzehrte, die Loosung zu einer wichtigen Erneuerung gab.
diverse: Das Pfennig-Magazin/Heft 2. Bossange Vater, Leipzig 1833, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_PfM_1833_05_11_nr_02.djvu/1&oldid=- (Version vom 15.5.2024)