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Seite:De Stummer Kampf (Janitschek).djvu/004

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Maria Janitschek: Stummer Kampf

Wieder das fremdartige Wort!

Die grobknochige Frau mit den herben Zügen senkte den Kopf tiefer auf ihren Teller. Die Kinder öffneten die Lippen zu einer leisen Frage an ihren Vater, verstummten aber erschreckt bei seinem Anblick. Seine Augen hingen an den rothen Lippen des Mägdleins mit einem Ausdrucke, der ganz fremd an ihm war.

»Ich werde nun wohl immer bei euch bleiben. Aber ihr sollt euch freuen an mir. Vater hat mich die Mandoline spielen gelehrt und singen kann ich auch, auch tanzen.«

Sie sprang auf, nahm ihren ärmlichen Rock zierlich zwischen die Fingerspitzen und begann sich im Kreise zu drehen. Aller Augen hingen wie gebannt an ihr.

Da knarrte der Stuhl oben am Tische.

Der Hausherr hatte sich erhoben.

Seine Gestalt schien noch grösser und mächtiger als sonst zu sein.

»Führt die Kleine auf ihre Schlafstelle. Der Schluck Bier, den sie trank, ist ihr in den Kopf gestiegen.«

Eine Magd trat heran und gab ihr einen Wink. Sie legte die Finger an die Lippen, warf eine Kusshand hin, lächelte Alle an und folgte der Voranschreitenden. Die Dienstboten erhoben sich, ebenso die Andern.

Nur Ulf blieb sitzen und starrte auf ihren Stuhl hinüber. Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter. Er sprang auf. Sein Vater stand mit unbeweglichem Gesichte vor ihm und sah ihn an.

»Mir ist, als hätt’ ich geträumt.« stotterte der Sohn.

Seine vier Kinder und seine Frau waren demüthig hinter seinem Stuhl versammelt, damit er ihren Gutenachtgruss erwidere. Er murmelte etwas zwischen den Zähnen. Der Blick des Alten, der wie eine Flamme auf ihm ruhte, raubte ihm fast die Besinnung.

Da, als die Andern im Fortgehen waren, trat sein ältester Bube nochmals vor ihn.

»Vater!«

»Was willst du?«

»Ich glaube – ich weiss nicht – ich fürchte mich vor der Nacht«

»Was hast du gethan?« fragte Ulf finster.

»Ich spielte in dem Felsen am Strande, da –« Der Junge stockte.

»Rede die Wahrheit,« sagte Thorwalt und legte seine Hand auf den blonden Kopf des Knaben.

»Da sah ich ein Ei in einem verlassenen Nest. Ich legte es der Schwalbenmutter unter. Sie brütete es aus. Ein kleiner, fremder Vogel ist aus dem Ei gekrochen. Aber seither zanken sich die Alten immer und flattern umher, anstatt bei den Jungen zu bleiben. Sie werden allesammt erfrieren müssen. Ich hör’ ununterbrochen –«

»Was denn, was hörst du denn?«

Empfohlene Zitierweise:
Maria Janitschek: Stummer Kampf. Wiener Rundschau, Wien 1. März 1897, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Stummer_Kampf_(Janitschek).djvu/004&oldid=- (Version vom 31.7.2018)