großmütig, aber sie ist eine Hexe.‘ – ‚Warum?‘ – ‚Hm, wollen Sie wissen warum? Erlauben Sie… So und so.‘ Und wehe dir, Weib! Nicht allein am jüngsten Gericht, nein, schon in diesem irdischen Leben sollst du gestraft werden! Nicht umsonst sind im Ritual Gebete wider deinesgleichen vorgesehen!“
Plötzlich ertönte am Fenster ein Klopfen, so laut und fremdartig, daß Ssawelij bleich wurde und vor Schreck auf einen Stuhl sank. Die Küsterin sprang auf und wurde auch ganz bleich.
„Um Gottes willen, laßt uns ein, wir müssen uns wärmen!“ ertönte ein zitternder, tiefer Baß. „Wer ist da drin? Habt Mitleid! Wir sind verirrt!“
„Wer da?“ fragte die Küsterin, die Angst hatte, zum Fenster hinauszusehen.
„Die Post!“ antwortete eine andere Stimme.
„Nicht umsonst hast du gehext!“ gestikulierte Ssawelij, „es ist schon so! Ich habe recht… Aber jetzt paß’ mir mal auf!“
Der Küster machte vor dem Bette zwei Luftsprünge, warf sich auf das Pfühl und drehte sich mit wütendem Geschnarche zur Wand. Bald darauf fühlte er die Kälte in seinem Rücken. Die Tür kreischte, und auf der Schwelle erschien eine hohe Männergestalt, vom Kopf bis zu den Füßen beschneit. Und dahinter sah man noch eine ebenso weiße Gestalt…
„Soll ich die Säcke hereinbringen?“ fragte der zweite mit einer heiseren Baßstimme.
„Draußen können sie nicht bleiben!“
Als er das gesagt hatte, begann der erste seine Kapuze aufzuknoten, und als sie nicht gleich aufging, riß er sie sich mit der Mütze zusammen vom Kopf und schleuderte sie ärgerlich an den Ofen. Dann zog er den Mantel aus und begann, ohne
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/086&oldid=- (Version vom 31.7.2018)