Sie beugte sich vor und fuhr erschrocken zurück: »Das sind ja zwei Schädel?«
Der Alte nickte.
»Und der Trommelstab ist ein Knochen?«
Wieder nickte der Alte.
»Aber … was hat das zu bedeuten?«
Der Gaukler schwieg. Doch der Fakir antwortete: »Das ist ein Werk des Hasses.«
Die starren Augen des Schlangenbändigers glühten auf, und er entgegnete heftig: »Des Hasses? Nein! des Gesetzes!«
»Das ist oft ein und dasselbe«, sprach gleichmütig der Fakir.
»Und … wer waren die beiden?« frug die Fremde, wie gebannt auf die glatten, gelblich glänzenden Schalen starrend, an denen sie nun auch die Schädelnähte erkannte.
»Zwei arme Irrende«", erwiderte der Fakir.
»Arme Irrende? fürwahr!« höhnte der Gaukler. »Ein schlechter Mann und eine noch schlechtere Frau, das waren sie!« Dabei umklammerten seine krallenartigen Finger die Schädel wie mit Schicksalsgriff, und es war der Fremden, als höre sie es drinnen wimmern und weinen.
»Schlecht?« wiederholte sie mit zitternder Stimme, »was … was hatten sie denn begangen?«
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/034&oldid=- (Version vom 31.7.2018)