Wie eine Sturmflut, die keine Macht aufzuhalten vermag, prallten sie bis gegen die Mauern des alten Palastes, auf dessen Balkon hoch oben der berühmte Präsident stand.
»Es lebe die Freiheit, die Freiheit, die Freiheit!« so brüllte die vorwärts brausende Menschenmenge, alles vor sich niedertretend. Über das Podium der Musikkapelle stürmte sie, vorwärts, vorwärts!
Und Paquito sah nichts mehr, er hörte nur noch ein ungeheures Lärmen, das näher und näher kam. Und plötzlich gab die kleine, schwankende Bude dem wachsenden Drucke nach. Krachend brach sie über Paquito zusammen, ihn mit Latten und Leinwandfetzen bedeckend. Hunderte drängten gleich vor in den freigewordenen Raum, ihn alsbald dicht erfüllend. Wie Wasser oder Wüstensand, so schloß sich die lebende Masse. Hunderte von Füßen stampften über die Trümmer hinweg, traten das Holzwerk nieder, achteten nicht, wohin sie schritten, eilten unaufhaltsam vorwärts, vorwärts, von immer neuen nachrückenden Massen geschoben.
»Es lebe die Freiheit, die Freiheit, die Freiheit!«
Unten am Boden aber, zwischen den grausam eilenden Füßen, erklang ein schmerzerfülltes Wimmern, das sich unbemerkt in dem Brüllen der Tausende verlor.
Noch einmal tönte es – leise – ganz leise.
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/077&oldid=- (Version vom 31.7.2018)