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und die Empiremöbel noch immer steif und etwas spärlich standen; sie schritt durch andere, in denen die Wände mit alten Kattunen bespannt waren, und die neueren Mahagoni-Servanten und -Kommoden selbstgefällig glänzten. Sie stand in dem Zimmer, wo sich der lange schmale Flügel von Gothow bei Riga befand, und sie entsann sich, wie sie hier bei den ausländischen Gouvernanten Tirolienne und Menuett tanzen gelernt, wie sie Hummel, Weber und Schubert geübt hatte. Sie wollte bei diesen beruhigenden Bildern jener Zeit verweilen, die ihr heut so lang her schien, daß sie sich plötzlich ganz alt vorkam – aber ihre Gedanken ließen sich nicht festhalten. Die Erinnerung an jenes erste kindliche Tanzen zauberte die Vorstellung der Petersburger Bälle hervor, der Gedanke an die einstmaligen Klavierstunden beschwor das musikalische Fest der Gräfin Rossi und ließ mit ihm Jenen vor ihr erstehen, den sie dort zum erstenmal gesehen. Und da waren sie auch schon wieder da, die Zweifel und Unsicherheiten, wie quälende Geister. Und so wie Dorothee einst in der Kindheit von hier aus vor den ausländischen Gouvernanten in den Garten zu entweichen liebte, so wollte sie auch jetzt fliehen vor all dem Fremden, sie Bedrängenden. Schon hatte sie die Klinke der Tür, die ins nächste Zimmer führte, gefaßt. Aber da hielt sie plötzlich inne. Dort ging es ja in den Märchensaal. Dahin wollte sie doch nicht?

Seit ihrer Ankunft hatte sie den Raum, der nur bei besonderen Festen benützt wurde, noch nicht betreten. Jetzt lockte er sie plötzlich mit den tausend Stimmen,

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/103&oldid=- (Version vom 31.7.2018)