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die sie schon als Kind oft zu hören gemeint, und die vielleicht nur das Kreisen jenes Tropfen Blutes in ihr waren, den sie von dem Ahnherrn geerbt, der einst in Schönheitssehnsucht die italienischen Landschaftsbilder dort drinnen hatte ausführen lassen. Aber noch eine andere, ganz neue Lockung drang heute durch die geschlossene Tür, auf deren Griff ihre Hand noch ruhte. Das Land, dessen Ruf sie hörte, war Ercoles Land, die Bilder seiner Heimat winkten dort drinnen in Sonnenglanz und Blumenfülle, und der schwarzäugige Lautenschläger, der unter Bäumen saß, darauf weiße Blüten glänzten und zugleich goldene Früchte glühten, der trug seine Züge, der war ja Ercole selbst!

Da konnte sie nicht widerstehen. Sie öffnete die Tür, schaute in den Saal und sah die Bilder – sah viel, viel mehr, sah, wie in einer übernatürlichen Vision alles, was das Leben ihr bot. Dann aber, einem übermächtigen Impulse folgend, stürzte sie fort, hinaus in den Garten.

Frühling war da. Nordischer Frühling. Kein wildes Wuchern, kein verschwenderisches üppiges Treiben und Sprießen. Eine Zartheit. Beinahe eine Herbe und Kargheit. Im hellsten Grün standen die Büsche, blaßrosa wölbten sich die Kronen der Apfelbäume gegen den farblos lichten Himmel. Leichter Dunst stand vor der Sonne, so daß die Dinge nur schwache Schatten warfen. Kein Bild, das zu sehen man weite Reisen unternimmt. Für manche Augen vielleicht kaum schön.

Dorothee aber war es Heimat, und bei dem Anblick kam es über sie gleich einer großen Erkenntnis: von

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)