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offenbar, daß er sie nicht gleich erkannte. Aber er kam auf sie zu, blieb stehen und grüßte mit fragendem Blick in den dunkeln Augen. Als wolle er sich besinnen, als habe der Ton der Stimme ihn mehr als der Anblick an etwas gemahnt, was zurücklag in weiter Vergangenheit. Und plötzlich kam es nun auch über seine Lippen, unsicher und fragend: „Contessina Dorothea?“

Lang waren sie dort oben nebeneinander stehengeblieben, hatten zusammen hinausgeschaut auf die Märchenwelt, schweigend und doch wissend, daß sie dieselben Gedanken dachten. Und dann hatte er sie durch den Garten, aus dem nun stärker noch die Abenddüfte stiegen, bis zum Portale hinabgeleitet. Ein Gärtner, den Ercole vorher herbeigewinkt, stand wartend da, die Arme voll eines übergroßen Straußes aus des Märchengartens schönsten Blüten. In den Wagen wurde er gelegt, füllte ihn mit seinem Duft und Zauber, und dabei gedachten Ercole und Dorothee wohl jenes anderen Sträußchens, das er ihr, in Seidenmanschette und Filigranhalter, vor vierzig Jahren überreicht hatte. Als sie dann im Wagen saß, beugte er sich über ihre Hand und sagte mit einem leisen wehmütigen Lächeln: „Von allen Sorgen, Contessina, ist wohl die müßigste, daß das Leben je zu schön sein könnte.“

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/112&oldid=- (Version vom 31.7.2018)