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Lieblichkeit ihrer Frühlinge, weiblich jetzt auch die üppige Fruchtbarkeit ihres Hochsommers und nahenden Herbstes. – Und die drei noch beinah knabenhaften Männer mußten dies, an der Brüstung des Schloßgartens lehnend, in dieser Stunde empfunden haben, denn plötzlich, nach langem schweigenden Schauen und Sinnen, sagte der eine mit bebender Stimme und einer neuen, scharfen Falte auf der jungen, glatten Stirn: „Wenn ich mir dächte, daß Feinde je hier in unser Tal eindrängen, das wäre …, das wäre …“ Er hielt inne, nach Worten suchend für diese so gänzlich neuen Gefühle. Doch schon fiel ein andrer Bruder ein: „Das wäre, als würde eine wundervolle Frau von Bösewichtern geschändet.“

Strahlend ging die Sonne an Großmamas achtzigstem Geburtstag auf, als habe sie auf Erden nur frohe Feste zu bescheinen. Fleißige Hände waren am Werk gewesen, so daß Großmama, die Frühaufsteherin, so zeitig sie auch erschien, doch schon alles geschmückt vorfand. Ein Wettbewerb zwischen Förster und Gärtner war es geworden: Laubgewinde, Blumensträuße wohin man blickte. Und auf dem blumenumkränzten Frühstückstisch Mamsells köstlichste Gebäcke. Und um diesen Tisch eine scheinbar so fröhliche Tafelrunde, die Greisin im weißen Gewand inmitten der lebensvollen Enkel. Aber doch schon da in der frühen Morgenstunde auf allen lastend die ungeheure Spannung. Vergessen hatten sie wohl die Jungen in gesundem Schlafe, aber gleich beim Erwachen war sie dagewesen, hatte wartend an den Betten aller Schläfer gestanden

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)