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und sie würzte die Unterhaltung gern mit den längst verklungenen Bonmots des Fürsten von Talleyrand und des Prinzen von Ligne. Tante Sonja fühlte sich eben den Menschen und Dingen, unter denen sie einst groß geworden, völlig entwachsen und dünkte sich ihnen überlegen, und ihre Haltung war die einer herablassenden Nachsicht geworden. Die anderen hatten aber ihrerseits viel zu viel Selbstbewußtsein und lang ersessenes Herrengefühl, um je zu glauben, daß solche Überhebung irgend jemand überhaupt in den Sinn kommen könne.

Für alles hatte Tante Sonja ein kritisches Naserümpfen, nur Dorothee schien ihre volle Billigung zu finden. Und nachdem sie ein Weilchen dagewesen und beobachtet hatte, sagte sie zu Dorothees Eltern: „Bei eurer Kränklichkeit ist es ja begreiflich, daß ihr beide von Burkahnen nicht fort könnt, aber gegen eure Tochter ist es un véritable crime, sie in dieser Weltabgeschiedenheit verkommen zu lassen, wo sich ihr außer dem Cousin Arnold keine Lebenschance bieten wird. Gebt mir das Kind für den Winter mit, in Petersburg will ich ihr le vrai monde – und auch – sie selbst zeigen. Elle en vaut la peine!

Und weil Dorothees Eltern überaus gewissenhafte Menschen waren, wurden sie bei diesen Worten sehr betroffen. Der Gedanke war ihnen schier unerträglich, daß sie, aus eigener Bequemlichkeit, eine Pflicht gegen ihr einziges Kind versäumt haben sollten! Sofort machten sie sich innerlich Vorwürfe, mit der Selbstquälerei feiner, stiller Seelen, denen die äußeren Umstände des Lebens nicht Tätigkeit als Ablenkung von peinigender

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/85&oldid=- (Version vom 31.7.2018)